Ulrike Herrmann vertritt in Ihrem Buch „Das Ende des Kapitalismus“ (hier zu kaufen: https://tidd.ly/3ZapEEV) die These, dass „grünes Wachstum“ im kapitalistischen Stil eine Lüge sei, der Politik und Gesellschaft aufsitzen. Hierzu werden Kapitalismus und Wirtschaftswachstum historisch eingeordnet und durchleuchtet, worauf unser heutiger Wohlstand basiert. Nämlich auf fossilen Brennstoffen und Konsum für die Massen.
„Deutschland kann nur klimaneutral werden, indem es auf Kohle, Gas und Öl verzichtet und auf Ökoenergie umstellt.“
Systematisch werden im Kapitel II (fast) alle Technologien für erneuerbare Energie für untauglich erklärt, weil sie nicht funktionieren, zu unreif und daher zu spät für die Lösung des Problems seien. Ihr Rückschluss um dem Klimawandel zu begegnen: Verzicht und „grünes Schrumpfen“ in Analogie zur britischen Kriegswirtschaft im zweiten Weltkrieg – eine Überlebenswirtschaft in der die Regierung durch Rationierung den Verteilungskampf begegnet.
Wirklich spanned und wachrüttelnd sind die zahlreichen Daten und Fakten aus diversen Studien und Statistiken. Ulrike Herrmanns klare teils bewusst überzogenen Aussagen führen uns die Perversion des heutigen Wirtschaftens vor Augen führen, in dem wenige Reiche das Herunterwirtschaften des gesamten Planeten verantworten.
Dennoch ein paar Kritikpunkte die mir beim Lesen in den Sinn kamen:
Fokus ist immer wieder nur Deutschland: Während sich Deutschland durchaus als Vorreiter für Klimatechnologie positionieren kann hat die Klimakrise einen globalen Maßstab. Die in 20 Seiten dünn präsentierte Idee einer „Überlebenswirtschaft“ muss alle Länder und Menschen der Erde umfassen, nicht nur Deutschland. Klimavereinbarungen, CO2 Zertifikate/-handel und Strafzölle müssen in der internationalen Gemeinschaft beschlossen werden.
Ulrike Herrmann zerredet systematisch alle nachhaltigen Energietechnologien gekoppelt an die Anforderung des „grünen Wachstums“. Diese Koppelung ist jedoch gefährlich und nicht zielführend für die Lösung des Problems. Sicherlich müsse man Politik, Gesellschaft und Beratern den Zahn ziehen, dass grünes Wachstum in der Form unseres heutigen fossilen Wirtschaftswachstum nicht möglich ist. Jedoch muss dies separat diskutiert werden zu wichtigen Zukunftstechnologien, die sehr wohl viele unserer heutigen Probleme lösen können.
Ich denke ja generell positiv und glaube daran, dass uns als Menschheit schon alle notwendigen Technologien zur Verfügung stehen um den Klimawandel zu stoppen und gefährliche Kipppunkte zu vermeiden. Dazu gehört auch ein Mix aus erneuerbaren Energien, ein nachhaltiger Konsum, eine Kreislaufwirtschaft und ein „gesundes“ Wirtschaften. Jedoch ist die globale Menschheit zu blind und unsere lokale Politik zu feige entscheidende Schritte in die richtige Richtung zu machen.
Ganz ausser Acht lässt Herrmann in ihren Ausführungen die Folgen des Klimawandels, die wir schon heute nicht mehr abwenden können werden: Flüchtlingsströme in die habitablen Gegenden unseres Planeten, Kriege um Wasser, Nahrungsmittel und Wohnraum.
Hermann lehnt ein persönliches CO2 Konto mit der Begründung ab, dass die Reichen sich bei Überschreiten ihres Budges einfach weitere Emissionsrechte zukaufen könnten. Das mag schon stimmen, jedoch darf man die Wirkung eines solchen Kontos nicht unterschätzen: Ein offiziell geführtes CO2 Konto hat eine aufklärende Signalwirkung und steigende Kosten eines aufwändigen Lebensstils beeinflussen letztendlich doch die Konsumentscheidungen.
Der Wandel zu einer „Überlebenswirtschaft“ und die Abkehr vom Kapitalismus sind fundamental. Ich befürchte, dass der schleichende Klimawandel nicht Feind genug ist um die Menschen aus ihrer Komfortzone/ Blase zum Umdenken zu bewegen. Dennoch sollten nun endlich Modelle gedacht und konkretisiert werden, die den Menschen vor Augen führen, wie ein nachhaltiger zukunftsfähiger Lebensstil aussehen. Bewusster Verzicht kann ja auch „in“ werden.
Leave a reply